Christoph Marx

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Warum die Freiheit für Rosa Luxemburg nicht die Freiheit der Andersdenkenden war

Graffiti Rosa Luxemburg

Freiheit ist die Freiheit des Andersdenkenden, pixabay

Im Januar 1919 wurde die erste Vorsitzende der KPD von rechten Freikorps ermordet. Als Kämpferin für einen vermeintlich echten Sozialismus mit demokratischem Antlitz gilt sie bis heute als positive Integrationsfigur der demokratischen Linken. Dabei war sie alles andere als demokratisch und ihr berühmtes Diktum von der Freiheit als der Freiheit der Andersdenkenden gar nicht so liberal gemeint, wie es sich heute anhört.


Nach ihrer Ermordung am 15. Januar 1919 durch rechte Freikorpsgruppen wurde Rosa Luxemburg zum Mythos, zur „Märtyrerin“ für die gute linke Sache. Kurz zuvor war sie zur ersten Vorsitzenden der gerade gegründeten Kommunistischen Partei gewählt worden.
Ihre Beerdigung am 13. Juni 1919 geriet zu einer beeindruckenden Massendemonstration, bei der sogar Eintrittskarten ausgegeben wurden. Bis heute ist ihr Grab in Berlin Pilgerstätte für die sozialistische Linke. Am zweiten Sonntag des Jahres ziehen Tausende Linke zur Gedenkstätte der Sozialisten in Berlin-Friedrichsfelde, um das Grab von Rosa Luxemburg standesgemäß mit roten Nelken zu schmücken.




Revolutionärin und Agitatorin

Die selbstbewusste linke Intellektuelle, in Polen geboren und seit 1898 deutsche Staatsbürgerin war zu Lebzeiten stets umstritten und von allen Seiten angefeindet. In der SPD avancierte sie v. a. durch ihre publizistischen Aktivitäten schnell zur führenden Theoretikerin des linken Parteiflügels, die kompromisslos den Klassenkampf propagierte. Sie war eine ungewöhnlich starke eigenständige Frau, die entgegen der Konventionen ihrer Zeit nie heiratete. Ihr ganzes Leben befand sie sich im Widerstand und saß viele Jahre im Gefängnis.

Freiheit nur im Sozialismus

Rosa Luxemburg war im heutigen Sprachjargon eine Linksradikale. Sie trat für die Diktatur des Proletariats ein, die in ihrem Verständnis die adäquate Form der sozialistischen Demokratie darstellte. Die linke Revolutionärin war aber im Gegensatz zu anderen wichtigen linksradikalen Theoretikern wie Lenin so vielschichtig, dass mit ihrem Namen auch immer wieder linke Dogmatik bekämpft wurde. Das liegt insbesondere an ihrem berühmten, zu Tode zitierten Satz: „Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden“ aus ihrer unvollendeten Schrift „Die Russische Revolution“ aus dem Herbst 1918, in der sie die Regierungspraxis der Bolschewisten in Russland kritisierte.

Das große Missverständnis

Der Satz war ein zentraler Schlachtruf der DDR-Opposition im Wendeherbst 1989 und wird inzwischen gerne auch von liberalen Zeitgenossen zitiert, um Toleranz und Pluralismus zu demonstrieren. Ein fatales Missverständnis!
Denn mit ihren berühmter Parole sprach sie keineswegs einer liberalen Demokratie das Wort, in der sich unterschiedliche Weltauffassungen in einem Wettbewerb befinden und die Wähler mehrheitlich über den Regierungsrichtung entscheiden können.

Nein, ihr Satz bezog nicht die Bürgerlichen oder andere Gegner des Sozialismus mit ein, diese „Andersdenkenden“ waren als Konterrevolutionäre klar zu bekämpfen und zu besiegen, die politische Freiheit bezog sich nur auf Andersdenkende innerhalb des eigenen revolutionären, sozialistischen Lager. Der Freiheitssatz wurde in einem revolutionären Zusammenhang und mit unmissverständlicher Zielsetzung formuliert, nämlich mit dem Ziel einer sozialistischen Revolution, einer „Diktatur des Proletariats“.




Kritik an den Bolschewisten
Der Satz richtete sich konkret kritisch an die bolschewistische Regierungsweise in Russland – die Machtübernahme der Bolschwisten unter Führung von Lenin begrüßte sie prinzipiell und deren revolutionäre Tatkraft feierte sie. Sie kritisierte die Bolschewiki für ihre mangelhafte demokratische Praxis. Die Menschen sollten ihrer Meinung nach auf ihrem Weg in die sozialistische Gesellschaft erzogen werden, aber eben auch ihre eigenen Erfahrungen machen. Freiheit in einer „sozialistischen Demokratie“ waren für sie notwendige und wichtige Voraussetzungen für eine erfolgreiche revolutionäre Entwicklung.

Die Freiheit war damit für sie immer nur die Freiheit der Sozialisten.

 

MDR aktuell habe ich am 15. Januar 2019 anlässlich des 100. Todestages von Rosa Luxemburg diesbezüglich ein Interview gegeben. 

 

Literatur u.a:
Helmut Hirsch, Rosa Luxemburg, Kindle Edition 2016.

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Der Münchner Christoph Marx ist Publizist und Lektor und lebt in Berlin. Er arbeitet als Autor und Redakteur für viele namhafte Verlage und veröffentlichte bzw. verantwortete inhaltlich zahlreiche Werke, v.a. zu historisch-politischen, gesellschaftlichen, sportlichen und kulturellen Themen.Referenzliste unter Autor und Redakteur/Lektor.

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3 Comments

  1. Mal im Zusammenhang: http://www.mlwerke.de/lu/lu3_106.htm

    “Hingegen ist es eine offenkundige, unbestreitbare Tatsache, daß ohne freie, ungehemmte Presse, ohne ungehindertes Vereins- und Versammlungsleben gerade die Herrschaft breiter Volksmassen völlig undenkbar ist. […]
    Gerade die riesigen Aufgaben, an die die Bolschewiki mit Mut und Entschlossenheit herantraten, erforderten die intensivste politische Schulung der Massen und Sammlung der Erfahrung.

    Freiheit nur für die Anhänger der Regierung, nur für Mitglieder einer Partei – mögen sie noch so zahlreich sein – ist keine Freiheit. Freiheit ist immer nur Freiheit des anders Denkenden. Nicht wegen des Fanatismus der “Gerechtigkeit”, sondern weil all das Belehrende, Heilsame und Reinigende der politischen Freiheit an diesem Wesen hängt und seine Wirkung versagt, wenn die “Freiheit” zum Privilegium wird.

    Die Bolschewiki werden selbst mit der Hand auf dem Herzen nicht leugnen wollen, daß sie auf Schritt und Tritt tasten, versuchen, experimentieren, hin- und herprobieren mußten und daß ein gut Teil ihrer Maßnahmen keine Perle darstellt. So muß und wird es uns allen gehen, wenn wir daran gehen – wenn auch nicht überall so schwierige Verhältnisse herrschen mögen. ”

    Daher kann ich der Darstellung nicht folgen. Und weil Frau Luxemburg nicht auf dem Boden des Grundgesetzes argumentieren konnte, kann Sie nach heutigen Maßstäben nicht “linksradikal” eingeordnet werden.
    Was sagt die Zuschreibung aktueller politischer Positionen zu verstorbenen historischen Person über den Autor des Textes? Alles! Was sagt eine verstorbene historische Person, zur aktuelle Zeit? -Nichts!

  2. Daher kann ich der Darstellung nicht folgen. Und weil Frau Luxemburg nicht auf dem Boden des Grundgesetzes argumentieren konnte, kann Sie nach heutigen Maßstäben nicht “linksradikal” eingeordnet werden.
    Was sagt die Zuschreibung aktueller politischer Positionen zu verstorbenen historischen Person über den Autor des Textes? Alles! Was sagt eine verstorbene historische Person, zur aktuelle Zeit? -Nichts!

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