Oppenheimer – der Vater der Atombombe. So zielstrebig und konsequent Oppenheimer sein Vorhaben vorantrieb und auch stolz über seine Erfindung, die Atombombe war und blieb, so sehr war er verzweifelt über die Folgen seiner Tat, die er nicht mehr beeinflussen konnte. Das ist eine Tragik der historischen Figur, die Nolan in seinem Film erzählen will – mit durchaus konventionellen Mitteln.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Christopher Nolans Mega-Biopic ist ein faszinierender Film über einen faszinierenden Wissenschaftler, einen genialen Physiker, der mit seinem Forschungstriumph in der Quantenphysik der US-Politik 1945 ein Werkzeug, das „deadly toy“ (Sting) in die Hand gab, das die Welt tatsächlich für immer veränderte: die Atombombe. Es begann das Zeitalter der nuklearen Aufrüstung. Bis heute ist der Besitz der Atombombe Inbegriff staatlichen Machtstrebens.

Nolans Film ist  keine schnöde Biografie über einen weltfremden Wissenschaftlers, sondern ein Film über einen politisch denkenden Entdecker, der nolens volens in die Weltpolitik katapultiert wurde und in den hysterischen antikommunistischen Anfangsjahren des Kalten Krieges ab 1949 zum wehrlosen Spielball von skrupellosen Innenpolitikern in den USA wurde – wegen seiner linken Sympathien, die vor allem aus dem Hass gegen die Nazis resultierte. Die Atombombe zu bauen, bevor sie die Nazis bauen und einsetzen konnten, war eine wesentliche Triebfeder seiner Handlungsmotivation. Und dass der Kampf gegen den mörderischen Nazi-Imperialismus auch die Kommunisten einschloß, machte nicht zuletzt der Staat deutlich. Der Krieg wurde ab 1941 von den USA Seit an Seit mit der Sowjetunion geführt. Dass nach dem Krieg in den USA die Kommunisten die neuen Nazis wurden, machte es der Politik nach 1945 leicht, Oppenheimers Ansehen systematisch zu diskreditieren. Seine kritische Haltung gegenüber der atomaren Aufrüstungsspirale hatte ihm viele Gegner eingebracht. Letztlich blieb Oppenheimer ein Wissenschaftler, der im politischen Nahkampf nicht zurechtkam. So zielstrebig und konsequent er sein Vorhaben vorantrieb und auch stolz über seine Erfindung, die Atombombe war und blieb, so sehr war er verzweifelt über die Folgen seiner Tat, die er nicht mehr beeinflussen konnte. Das ist eine Tragik der historischen Figur, die Nolan in seinem Film erzählen will – mit durchaus konventionellen Mitteln.

Denn von seiner Machart her überrascht der Nolan-Film, der ist alles andere als ein typischer Nolan-Film. Sicher ist der Film wie alle „Nolans“ auch ein visueller Genuss, praktisch alle Bilder, Einstellungen ein ästhetisches Vergnügen, Kino pur, doch das typische Nolansche, durch musikalisches Crescendo untermalte Überwältigungsspektakel a la Interstellar bricht nur in wenigen Sequenzen durch. Stattdessen wird der Zuschauer Zeuge eines teilweise fast traditionell inszenierten Kammerspiels. Vor allem über Dialoge werden die Männerkämpfe hinter den Kulissen um Ruhm und Macht in Wissenschaft und Politik erzählt, immer wieder neue Protagonisten eingeführt, immer wieder scheinbar wirr in den Zeitebenen gesprungen ( da dann doch wieder ein typischer Nolan), vor der Implementierung des geheimen „Manhattan-Projekts“, während des Entwicklungsprozesses der Nuklearbombe und natürlich vor allem nach dem erfolgreichen Trinity-Test einen Tag vor dem Beginn der Potsdamer Konferenz am 17. Juli 1945.

Es braucht sicher eine hohe Konzentration und auch eine gute historische Grundbildung über diese Zeit, um dem Geschehen wirklich folgen zu können. Auch wenn vieles tatsächlich nicht so war (etwa die Unterhaltungen zwischen Einstein und Oppenheimer sind wohl frei erfunden) bzw. sehr umstritten ist (der Mordversuch Oppenheimers an einem früheren Dozenten), schafft es Nolan, mit den Mitteln des Kinos den Zuschauer in den Bann einer Zeit zu ziehen, die den Höhepunkt der Barbarei im 20. Jahrhundert sah und bereit war, zum Äußersten zu greifen, um die Barbarei zu beenden. Die kollektive Erinnerung an die Schrecken von Hiroshima und Nagasaki ist heute noch so lebendig, dass der Einsatz von Atombomben selbst für das schlimmste Regime bisher ein Tabu blieb.

Der Münchner Christoph Marx ist Publizist und Lektor und lebt in Berlin. Er arbeitet als Autor und Redakteur für viele namhafte Verlage und veröffentlichte bzw. verantwortete inhaltlich zahlreiche Werke, v.a. zu historisch-politischen, gesellschaftlichen, sportlichen und kulturellen Themen.Referenzliste unter Autor und Redakteur/Lektor.

    Find more about me on:
  • facebook
  • googleplus
  • linkedin
  • twitter