James Bond, pixabay

Bond, James Bond. Ein Name, drei Wörter, 13 Buchstaben, die 1999 zur berühmtesten Zeile der Filmgeschichte gewählt wurden. Ein Name, der praktisch überall auf der Welt ähnliche Assoziationen hervorruft: Männlichkeit, Stärke, Frauen, Luxus und Coolness sind nur einige von ihnen.  Ein antiker Heroe, der im Kalten Krieg entstand. Die Geschichte einer literarischen Erfindung.





Der Name erscheint austauschbar, ein Allerweltsname, der „langweiligste Namen, den ich je gehört habe“, wie Bond-Schöpfer Ian Fleming einmal launig erklärte. Der Name ist einem unbekannten amerikanischen Vogelkundler entliehen, dessen Buch sich gerade zufällig neben Flemings Schreibtisch befand. Dieser Name ist zu einer globalen Marke im Maßstab von Coca-Cola oder Facebook geworden, mit dem Millionenumsätze generiert werden: Die Figur hat sich von der literarischen Vorlage in der Öffentlichkeit längst gelöst und ist zu einer Projektionsfläche für einen modernen Helden geworden. Eine Kunstfigur, „all men wanted to be and all women just wanted“, wie Steven Spielberg die Erfolgsformel einmal plakativ zusammenfasste. Ein von allen Seiten umschwärmter Held, der unkorrumpierbar auf der richtigen Seite, auf der Seite von Freiheit, Recht und Menschenrechten steht, einer, der globale Bösewichte jagt, dabei immer die notwendige Contenance bewahrt und sich regelmäßig seiner sexuellen Attraktivität bei Frauen vergewissert. Ein Held aber, der dabei ganz und gar nicht heldenhaft zu einem Vorbild taugt. Eher im Gegenteil. Unser Held ist gleichzeitig auch eine Art Anti-Held, ein Bild des moralisch Schlechten und Verwerflichen. Ein hoher Beamter in einem demokratischen Staat, der eigenmächtig entscheiden darf, wen er zu töten habe und wen nicht. Einer, der offensichtlich zu viel Alkohol trinkt und zu Frauen in erster Linie eine menschenfeindliche Objektbeziehung unterhält. Es entbehrt durchaus nicht jeder fiktiven Grundlage, dass insbesondere früher Kultur- und Gesellschaftskritiker aus allen möglichen weltanschaulichen Richtungen einst oft die Nase rümpften, wenn sie den Namen Bond hörten. Von „modernisiertem Barbaren“, der nur wenig dominiziert zynisch die menschenfeindliche Widersprüche des Spätkapitalismus des Westens auslebte, war da die Rede, ebenso von den „niederen Gewaltfantasien eines Kleinbürgers“, die die Filme befriedigten. Ganz zu schweigen von den harschen Urteilen des Ostblocks, insbesondere in den Anfangsjahren, als der Kalte Krieg besonders kalt war und auch die Filme noch diese Stimmung widerspiegelten. Bond sei ein „sadistischer Faschist“, war explizit oder implizit der allgemeine Tenor in der kommunistischen Welt. In der sowjetischen Prawda war 1964 von Bond sogar als dem idealen „Nachfolger der nationalsozialistischen Verbrecher“ die Rede. Was die kommunistische Welt aber nicht abhielt, selbst in verschiedenen Ostblockländern Gegen-Bonds aufzubauen. In DDR ging Armin Müller-Stahl 1973 als „Kundschafter des Friedens“ in Diensten der Stasi (in einer erfolgreichen Fernsehserie) den militaristischen Machenschaften alter Nazigrößen und CIA-Agenten in der Bundesrepublik nach. In der Sowjetunion agierte jahrelang der Agent Slawin gegen kapitalistische Umtriebe. Beide Figuren hatte durchaus in ihren Grenzen ihre Zuschauer, waren aber eher skurille Begleiterscheinungen in dem unwiderstehlichen Siegeszug der westlichen Agentenfigur in den 1960er-Jahren über das ehemalige Britische Empire hinaus. Nur einer eroberte bei seinen fiktiven Weltrettungen gleichzeitig die reale Welt, zumindest die mit freiem Marktzugang: Bond, James Bond.




Ein antiker Heroe

In seiner Ambivalenz ist Bond ein höchst zwiespältiger Held. Er ist kein Held im alten germanischen Sinn, kein Krieger von edler Herkunft. Bond ist ein klassischer Heroe im ursprünglichen griechischen Wortsinn, eine Art Halbgott, der wundervolle Taten vollbringen kann, ohne selber ein guter Mensch zu sein. Der Ausdruck „Halbgott“ ist rein metaphorisch zu verstehen. Denn die Heroen sind im klassischen Mythos Ergebnis einer Verbindung zwischen Gott und Menschen. Davon kann bei James Bond selbst in der Logik seiner Fiktionalität aber keine Rede sein – weiß Gott. Gott blieb bei Bonds Genese völlig außen vor, er ist ein Produkt einer ganz menschlichen schottisch-schweizerischen Verbindung. Auch der Geburtsort von Bond kann prosaischer kaum sein. Wattenscheid. Dort wurde Bond am 22. November 1920 als Sohn des schottischen Briegdegenerals der königlichen Marine Andrew Bond und seiner schweizerischen Frau Monique geboren. Davon ist auf jeden Fall der Journalist John Pearson überzeugt, der 1973 eine Autobiografie von Bond schrieb und sich dabei auf Ian Fleming selbst beruft, den er persönlich kannte. Der englische Vorzeigeagent Bond ist demnach ein „Kraut“, ein Deutscher aus dem Ruhrpott, dort, wo traditionell mehr Bier und rustikal gegessen als in feinem Zwirn parliert wird? Kaum zu fassen und harter Stoff gerade für traditionsbewusste Engländer. Fleming selbst schweigt sich über den Geburtsort aus. Seine Kindheit verbringt Bond wohl behütet und in wechselnden Ländern Europas, vorzugsweise in Chelsea (London), wo er auch in seinen Agentenjahren eine Junggesellenwohnung unterhält. Ein Engländer mit Migrationshintergrund, wenn man so will, ist also danach dieser Bond, der sonst vielleicht nur wie die Queen den Union Jack nach außen hin repräsentiert.

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Erfunden aus Langweile?

Ian Fleming hätte sich sicher köstlich amüsiert, hätte er gewusst, dass später Bücher über die fiktive Biografie seines von ihm erfundenen Charakters verkauft und auch ernsthaft diskutiert würden. Ja allgemein, dass es auf der ganzen Welt Bond-Fanklubs gäbe. Fleming hat seinen Charakter, an dem heute seine Nachkommen noch gutes Geld verdienen, nie so besonders ernst genommen. Ja, seine Romane vordergründig nie als besonders wertvoll angesehen und sich, sicher auch ein wenig kokett, über den Erfolg gewundert. Sein Schreiben wäre vor allem ein Hobby gewesen und die Figur James Bond habe er seinerseits erfunden, um seine Angst vor der bevorstehenden Heirat ein wenig zu lindern. Der literarisch verwirklichte Traum von Abenteuer und Sex als Kompensation für den drögen Alltag sittsamer Zweisamkeit? Durchaus stichhaltige These bei dem an Freud und Jung sehr interessierten, kurzzeitigen Psychologiestudenten Fleming. Alles nur „geronnene Wunschträume eines jugendlichen Hirns“, wiegelte er stets ab, wenn er auf Bond angesprochen worden. Er ziele mit seinen Büchern „auf die Gegend irgendwo zwischen Solarplexus und Becken.“

Der Schöpfer und sein Geschöpf

So englisch als wie Bond gemeinhin gilt, ist eigentlich nur sein Schöpfer – klassische englische Oberschicht. Ian Fleming wurde am 28. Mai 1908 in ein reiches Londoner Patrizierhaushalt hineingeboren. Der Vater war Tory-Abgeordneter im englischen Unterhaus. Der Militäroffizier fiel im Ersten Weltkrieg. Nach dem Besuch einer standesgemäßen Eliteschule studierte Fleming junior alles Mögliche ohne wirkliche Richtung und arbeitete mehr schlecht denn recht als Nachrichtenschreiber, später auch als Bankier. Flemings Leben war unstet. Er war sportlich,vielsprachig und galt als verwöhnter Snob aus der höheren Gesellschaft, der immerhin Winston Churchill persönlich kannte, und bei allem, was er tat, immer eine gewisse Langweile zur Schau trug. Im Zweiten Weltkrieg arbeitete er jahrelang für den Marinegeheimdienst, wo er auch geheime Missionen leitete.

Wie ähnlich waren Bond und Fleming?



Ähnlichkeiten mit der Charakterzeichnung des Geheimagenten Bond fallen schnell ins Auge. Auch dass Fleming bei seinen Romanfantasien seine Erfahrungen mit dem Geheimdienst hat einfließen lassen, liegt auf der Hand, wenn auch beides ins Groteske überzeichnet wurde. Auch der fiktive Geheimagent Ihrer Majestät ist ein ausgezeichneter Sportler wie ein exzellenter Golfer; er raucht wie Fleming Kette, Spezialzigaretten mit drei Goldringen. Er liebt Alkohol, ohne von ihm abhängig zu sein. Dom Perignon, Chateau Lafite 1953 und eisgekühlten trockenen Martini – ganz exquisit. „Einen Moment noch. Drei Teile Gordon’s, ein Teil Wodka, ein halber Teil Kina Lillet. Schütteln Sie es gut durch, bis es eiskalt ist, und fügen Sie dann ein großes dünnes Stück Zitronenschale dazu hinzu. Verstanden?“, weist er in „Casino Royale (1951) den Barkeeper zurecht. „Dieser Cocktail ist meine eigene Erfahrung“, klärt Bond dort seinen amerikanischen Kollegen auf. Er sollte nach seiner ersten Eroberung Vesper heißen. „Geschüttelt und nicht gerührt“ wurde zu einem der geflügelten Worte Bonds in den Filmen, selbst wenn er es nicht immer sagte. Auch Bonds Kleidung ist in den Romanen weniger exquisit klassisch als in den Filmen, auch mal leger, wenn auch nie nachlässig. Meist trägt er Baumwollhemden. Nach außen wirkt der Fleming-Bond gut trainiert. 1, 83 Meter groß, 76 Kilogramm schwer, schlank, schwarze Haare, blaue Augen „hart wie Stein“, kleine Narben an der rechten Wange und Schulter. Als Commander für den britischen Auslandsgeheimdienst trägt er die Codenummer 007, angeblich hat sie Fleming einer US-Postleitzahlkombination entnommen, und als Dienstwaffe eine Beretta 25, die er aber in Dr. No durch eine Walther PPK ersetzen muss. Die Waffe, die seitdem mit Bond automatisch in Verbindung gebracht wird. Und er setzt sie bekanntlich auch regelmäßig ein. Als Angehöriger einer 00-Abteilung darf er nach eigenen Ermessen im Dienst töten, was er in den insgesamt zwölf Romanen 38-mal tut. Die berühmte Lizenz zum Töten.

Der “Mann der Tat”

Dem selbsternannten „ Mann der Tat“ ist Schreibtischarbeit immer ein Gräuel: Bond liebt das Spiel im doppelten Sinn: Häufig ist Bond in Casinos anzutreffen, um bei Roulette und Baccara sein Glück herauszufordern. Aber er ist eben auch ein Spieler im Umgang mit Menschen, die er von außen genau sezidiert und zu seinen Zwecken einsetzen kann. Bond lebt in einer Welt, in der Gewalt selbstverständlich ist. Er kämpft und lässt leiden, um nicht selbst leiden zu müssen. Er ist „ein Mensch, der die geradezu unheimliche Fähigkeit besaß, sich ganz in sich zurückzuziehen. Während er sich nach außen hin versteifte, die Fäuste ballte und gegen den Schmerz ankämpfte, blieb er im Inneren ganz ruhig“, heißt es in einem Roman von Raymond Beson. Bond ist kalt und berechnend, was sein Überleben sicherte, und wenn es es nicht anders geht, auch grausam.



Kein strahlender Held oder gar ein Supermann, zu dem er in späteren Bondfilmen mutierte, war der literarische Fleming-Bond, sondern ein Mensch im Krieg mit der Umwelt, der nichts mehr hasste als Langweile: ein disziplinierter Killer, ein unsentimentaler Einzelgänger ohne echte Bindungen, der seine Einsamkeit mit dem Gestus der eigenen Unfehlbarkeit relativiert. Der Geschmack hat, Sex, gutes Essen oder gute Kleidung schätzt. Bond liebt das savoir vivre, weil er jederzeit sein Leben verlieren konnte. Obwohl charmant im geselligen Umgang, hat Bond keine wirkliche Freunde. Schon zu Schulzeiten hat er keine gehabt. Er ist auch kein guter Schüler gewusst. Wenn er auch auf die besten Schulen ging, ist Bond an Intellektualität nie wirklich interessiert gewesen; von den schönen Künsten wusste er nur wenig. Er ist allerdings mit genügend Intelligenz und ausgeprägter Halbbildung ausgestattet, um Fakten und Zusammenhänge schnell erfassen zu können.

Fleming erfand in den harten 1950er-Jahren, als der Kalte Krieg der Systeme die internationale Politik im Griff hatte, einen harten Kerl, der für die gute Sache auch so richtig fies sein konnte. Eine Heldenfigut, die viele Männerseelen zu dieser Zeit instinktiv ansprach, wobei es skurille, ja auch tragische Zusammenspiele gibt. So war Bond nicht nur einer der Lieblingslektüren des amerikanischen US-Präsidenten John F. Kennedy. Auch sein Mörder Lee Harvey Oswald verschlang die Romane.

Der Münchner Christoph Marx ist Publizist und Lektor und lebt in Berlin. Er arbeitet als Autor und Redakteur für viele namhafte Verlage und veröffentlichte bzw. verantwortete inhaltlich zahlreiche Werke, v.a. zu historisch-politischen, gesellschaftlichen, sportlichen und kulturellen Themen.Referenzliste unter Autor und Redakteur/Lektor.

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