Am 22. Februar 1788 wurde Arthur Schopenhauer in Danzig geboren. Der bekennende Misanthrop gab dem Pessimismus eine philosophische Grundlage. Er entwickelte eine Metaphysik des Willens, die zunächst von den Zeitgenossen kaum wahrgenommen wurde.
Schopenhauer war wie jeder Philosoph gründlich in allem, was er tat. Und dies gilt auch für die Pflege seiner Feindschaften. Passend zu seinem von Kampf und Leid bestimmten Weltbild konnte der letzte große Vertreter des Idealismus abgrundtief hassen, besonders seinen Intimfeind, den Berufskollegen Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Ganze Schriften bestehen mehr oder weniger nur aus Schimpftiraden gegen den damaligen philosophischen Superstar. „Ein ekelhaft-widerlicher Scharlatan“ sei dieser, ein „Kopfverdreher“; seine Philosophie „hohler Wortkram“, eine Mixtur „sinnloser, rasender Wortgeflechte, wie man sie bis dahin nur in Tollhäusern vernommen hatte“. Seine nicht enden wollenden Hasstiraden speisten sich wohl nicht unerheblich auch aus verletzter Eitelkeit und purem Neid. Absichtlich hatte der junge Dozent an der Berliner Universität Schopenhauer anfangs seine Vorlesung an der Berliner Universität zeitgleich mit der von Hegel gelegt – mit dem für Schopenhauer ernüchterndem Ergebnis, dass kaum ein Student den Weg in seinen Hörsaal fand. Schon nach einem Semester brach er seine Vorträge ab – es blieben schlicht die Hörer weg.
Der Publikumsbeschimpfer
Frustriert zog er sich schließlich nach Frankfurt zurück und versuchte als Privatgelehrter Fuß zu fassen. Doch die Außenwelt wollte zunächst keinerlei Notiz von seinen Arbeiten nehmen, wobei er von deren Bedeutung zutiefst überzeugt war. „Die Welt ist meine Vorstellung“ war der zentrale Gedanke Schopenhauer seines frühen Hauptwerkes Die Welt als Wille und Vorstellung. Allen Erscheinungen auf der Welt liege danach die Kraft eines umfassenden Willens zugrunde, der ziellos und in sich widersprüchlich vergeblich nach Erfüllung strebt. Das ganze Leben war für Schopenhauer eine Abfolge von unerfüllten Wünschen, Langweile und Leidenszuständen. Inwieweit der berufliche Misserfolg seine tiefe pessimistische Weltanschauung beeinflusste oder umgekehrt: seine negative Lebenseinstellung erst die Ablehnung der Menschen hervorgerief, ist kaum zu klären. Auf jeden Fall korrespondierte mit seinem philosophischen Pessimismus eine tiefe Abneigung gegenüber dem Menschen. Schopenhauer als einen Menschenfeind zu bezeichnen, ist sicher keine Übertreibung. Seine Mutter, die berühmte Schriftstellerin Johanna Schopenhauer, an die im 19. Jahrhundert wohl die meisten Menschen dachten, wenn sie den Namen Schopenhauer hörten, klagte in trauter Runde oft über das ewige „Lamentieren über die dumme Welt“ ihres Sohnes. Immer glaubte Schopenhauer Arglist und Niedertracht bei seinen Mitmenschen annehmen zu müssen. Er glaubte, die Unfähigkeit seiner Verleger seien schuld daran, dass sich seine Schriften so wenig verkauften. Die Menschen allgemein hielt er auch buchstäblich für gemeingefährlich. In seinem Schlafzimmer lag immer eine Waffe griffbereit und zum Friseur wollte er prinzipiell nicht gehen, weil er fürchtete, dieser könne ihm beim Bartschneiden die Kehle durchschneiden. Sein Verfolgungswahn konnte aber auch selbst gewalttätige Ausbrüche zur Folge haben, wie eine Näherin schmerzlich erfahren musste, die von Schopenhauer kurzerhand mit einem Faustschlag zur Strecke gebracht wurde, weil diese angeblich zu viel geredet hätte. Lebenslang hatte Schopenhauer Zahlungen an die chronisch verletzte Frau zu leisten, was Schoperhauer auch tat – unter Flüchen. Zuwendung zeigte Schopenhauer in seinem Leben eigentlich nur zu den Tieren. Am Schluß war ihm allein sein geliebter Hauspudel als Gesellschaft erwünscht.
Nachruhm
Kein Wunder also, dass die Beziehung der Zeitgenossen zu dem „heimlichen Kaiser der Philosophie“, wie sich Schoperhauer recht unbescheidend einmal nannte, gestört blieb. Was ihm blieb, war die Hoffnung auf die nächsten Generationen. „Mein Zeitalter und ich passen nicht für einander; so viel ist klar. Aber wer von uns wird den Prozeß vor dem Richterstuhle der Nachwelt gewinnen?”, fragte er besorgt. Einen ersten Popularitätsschub leitete 1853 ein Artikel in einer englischen Zeitschrift ein, in dem Schopenhauers Werk ausführlich vorgestellt wurde. Den Aufstieg Schopenhauers zu einem der wichtigsten Denker des 19. Jahrhunderts setzte aber erst nach seinem Tod ein. Philosophen wie Ludwig Wittgenstein oder aber auch Wissenschaftler wie Sigmund Freud nannten sich Anhänger und Bewunderer von Schopenhauer. Ob er sich darüber gefreut hätte? Sicher hätte er einen Grund zum Ärgern gefunden.
Literatur: Wilhelm Weischedel, Die philosophische Hintertreppe, München 2005.
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