Roger Moore

Roger Moore als Clown in “Octopussy” 1983, RV1864, < CC BY-NC-ND 2.0

Mit ihm bekam Bond nach dem Abgang von Sean Connery ein neues Profil: Roger Moore brachte 1973 Witz und Selbstironie in die Rolle und prägte eine ganze Generation von Bond-Fans. Eine Liebeserklärung an den Helden meiner Kindheit, der am 23. Mai 2017 im Alter von 89 Jahren starb.

Nach dem endgültigem Abgang von Sean Connery 1971 glaubten nicht wenige Auguren, dass Bond tot sei. Zu sehr hatte der virile Schotte die Rolle und die Serie durch seine Persönlichkeit geprägt. Dass es Bond noch heute gibt, und das erfolgreicher als jemals zuvor, lag vor allem an ihm: an Roger Moore, dem ersten Engländer in der Rolle des ikonischen Geheimagenten. Roger Moore interpretierte die Rolle ganz individuell, ganz anders. Ironisch und immer ein Stück weit parodistisch.  Bond als Übermensch, den irdischen Gefühlen weitgehend enthoben. Ein Geheimagent, der so geheim war, dass ihn jeder zu kennen schien. Ein Geheimagent, der dem Kinopublikum gleichzeitig mit einem Augenzwinkern immer kommunizierte: It‘s just Bond entertainment. Die Leute mochten es und liefen in die Kinos.

Der britische Witz

Sir Roger Moore war für die selbstironische Variante von Bond so gut geeignet wie wenige. Der Londoner Sohn eines Polizisten hatte zuvor als „Simon Templair“ im Fernsehen sein komödiantisches Talent unter Beweis gestellt und galt mit seiner karikierten Steifheit über die britischen Empire-Grenzen hinaus als Abbild des englischen Gentlemans schlechthin. Indem er den unterkühlten upper-lip-Charme in die Figur brachte und sich die dynamische Machofigur immer mehr zu einem lakonischen ironischen Kommentator der Szenerie selbst wandelte, schaffte er zweierlei: sich von Connery zu emanzipieren und gleichzeitig den in der Bond-Figur angelegten Snobismus wieder der Persönlichkeit von Ian Fleming anzunähern.

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Der verrückteste und deswegen vielleicht typischste Roger-Moore-Bond Moonraker aus dem Jahr 1979

Bond wurde zum Jet-Setter in Sachen Weltrettung, immer mit einem spöttischen Lächeln auf den Lippen, gelassene Kultiviertheit bis hin zur Karikatur. Ein Pop-Dandy par excellence. „My word is my bond“, überschrieb Roger Moore Jahre später einen seiner zahlreichen Erinnerungsbände und traf damit den Punkt. Moore brachte seine sprichwörtliche gute Laune unmittelbar in seine Rolle ein. Wo Connery seinen Körper und Zynismus einsetzte, versuchte Moore mit lakonischem Witz und Charme an sein Ziel zu kommen. Sieg durch verbale Überlegenheit statt durch dumpfe Gewalt – das war das Credo des privat überzeugten Pazifisten Roger Moore, bis ins hohe Alter weit gereister Repräsentant und Spendeneintreiber für das Kinderhilfswerk UNESCO.

Abneigung gegen Töten

Ganz schrecklich war nach eigener Aussage für ihn die Szene in „Der Mann mit dem goldenen Colt“ gewesen, in der er mit seinem Schnellboot durch die Klongs Bangkoks rast, einen kleinen Jungen aus dem Armenviertel aufnimmt und, nachdem Bond seine Informationen bekommen hatte, diesen rücksichtslos in die Kloake wirft. Als Beleg für seine bewusst distanzierte Interpretation eines Auftragkillers berief sich Moore auf eine Szene in einem Flemingroman, in der sich Bond nach einer erfolgreichen Tötung schlecht fühlte. Moores Bond mochte das Töten nicht, und das sollte jeder sehen, auch wenn er es tatsächlich in seinen Filmen häufiger tat als Connery.

Bond wird zum Symbol

Doch die Gewalttaten waren meist so blutleer wie realitätsfern inszeniert, dass sie kaum emotional ernst genommen wurden. Zumal eine Kampfszene fast rituell gerne mit einem Wortwitz, den berüchtigten Onlinern des Moore-Bonds endete und damit der gezeigte Schrecken ironisch gebrochen wurde. „Hope you enjoyed the show“, sagte Moore-Bond zu Barbara Bach in „Der Spion, der mich liebte“ (1977), nachdem er mit zwei bösen Helfershelfern kurzen Prozess gemacht hatte.

Die klassische Männerutopie, sich ohne echte Anstrengung dem Bösen zu entledigen und dabei nebenbei auch das Schöne, die Frauen, zu bekommen, verkörperte Roger Moore wie kein anderer Bond, womit in diesem Sinn das Geschehen bei den Moore-Bonds fast immer auch eine leicht melancholische Note gewann. Form siegte über Inhalt. Fantasie über Realität. Die Reinheit, mit der die Welt durch den Moore-Bond gerettet wurde, war selbst frei jeder menschlichen Regung. Bond wurde zum reinen Symbol.

Mit seiner komödiantischen Interpretation akquirierte er eine besonders nachhaltige Zielgruppe erneut für die Bondfilme: Kinder und Jugendliche. Eine neue Postconnerysche Generation wurde von Roger Moores comic-kompatiblen Interpretationen geprägt und für das Franchise gewonnen. Insbesondere seine ganz andere Performance gab der Serie spätestens Ende der 1970er-Jahre die dringend benötigte zweite Luft. Die Publikumszahlen schnellten wieder nach oben. Dass Moores parodistischer Ansatz von Bond die Parodie kaum mehr vom Original unterscheiden ließ, machte die Figur quasi unantastbar und vergrößerte nur noch deren Reichweite.

So sehr ich als Franchise-Fan Craig und seine aktuelle Interpretation als Bond gut heiße und auch mag, so sehr bleibt Roger Moore mein Traum-Bond. Mit ihm konnte man das Böse besiegen, ohne selbst böse werden zu müssen.

Vielen Dank für wunderschöne Kindheitsträume

Farewell Sir Roger Moore!

 

Die besten Filme von Roger Moore in der Kurzkritik:

Der Spion, der mich liebte (1977)

Die Fakten: Regie: Lewis Gilbert; Produktion: Albert R. Broccoli; Drehbuch: Richard Maibaum/Christopher Wood;  Kamera: Claude Renoir.

Der Inhalt: Eine russische und englisches atomwaffenbestücktes U-Boot verschwinden spurlos auf den Weltmeeren. Beide Geheimdienste setzen ihre besten Leute auf den Fall an. James Bond und KGB-Majorin Anja Amasova kommen sich nicht nur privat näher, sondern stellen den größenwahnsinnigen Reeder Stromberg, der von seiner Meeresfestung Atlantis aus an einer neuen Weltordnung bastelt.

Der bondigste Moment: James Bond alias Rick Sylvester stützt mit Skiern eine Felswand herunter und rettet sich mit dem Fallschirm.

Das Zitat des Filmes: „Ich hoffe, Ihnen hat die Show gefallen“ (Bond zu Anja Amasova)

Die Wertung: It`s the biggest, it`s best, it`s bond: Der Film war der zweite Urknall der Serie in den 1970er-Jahren . Toller Mix aus trockenem Humor, halsbrechender Action und Suspense. Brillianter Score und Kamera. Betörend schöne Ägyptensequenzen. Der ultimative Moore-Fantasy-Bond mit legendären Figuren der Serie wie dem Beißer.

 

Moonraker – streng geheim (1979)

 

Die Fakten: Regie: Lewis Gilbert; Produktion: Albert R. Broccoli; Drehbuch: Christopher Wood;  Kamera: Jean Tournier

Der Inhalt: Ein neuartiges Moonraker-Space-Shuttle wird bei einem Transport mit einem Flugzeug entführt. Bond trifft auf den größenwahnsinnigen Multi-Billiardär Hugo Drax, der eine Weltraumstation erschaffen hat, um dort eine neue Menschenrasse zu züchten, die die Erde beherrschen soll. Dann nimmt Bond das Lasergewehr in die Hand und steigt in den Raumanzug.

Der bondigste Moment: Unter der Sphärenmusik von John Barry entdecken Bond und Goodhead in ihrem Raumschiff die spektakuläre Raumstation von Drax im All.

Das Zitat: „James Bond, Sie treten mit der ermüdenden Regelmäßigkeit einer ungeliebten Jahreszeit auf“ (Drax zu Bond).

Die Wertung: Nie kam ein Bondfilm so aufreizend nackig und schön daher wie dieser Gilbert-Eskapismus aus dem Jahr 1979. Surrealer und grotesker als jemals zuvor und jemals danach. Der Bond der Superlative spaltet bis heute die Fangemeinde. Was für die Einen Kasperletheater und Verrat an Fleming, ist für die Anderen die Essenz von Bond – pure Kunst. Der schöne Bond. Camp at its best.

 

In tödlicher Mission (1981)

 

Die Fakten: Regie: John Glen; Produktion: Albert R. Broccoli; Drehbuch: Richard Maibaum/Michael G. Wilson;  Kamera: Alan Hume

Der Inhalt: James Bond soll eine wichtige Dechiffrierungsmaschine ATAC zurückholen, die bei einem Anschlag auf ein britisches Spionageschiff vor feindlicher Küste im Meer versunken ist. Bei der Suche im Wettlauf mit den Sowjets verbündet sich Bond mit der geheimnisvollen Schönheit Melina Mavelock, die den Mördern ihrer Eltern nachspürt. In einem gottverlassenen Kloster hoch in den Bergen kommt es zur Entscheidung.

Der bondigste Moment: Bond stößt das Auto, in dem Killer Loque sitzt, mit einem Fußstoß die Felsenwand hinab.

Das Zitat: „Ein chinesisches Sprichwort sagt: Bevor du dich anschickst zur Rache zu schreiten, schaufele lieber zwei Gräber.”

Die Wertung: Back to earth, hieß das Motto nach den vorherigen Höhenflügen. Dabei schoß man allerdings ein wenig über das Ziel hinaus und buddelte Bond fast ein. Die Geschichte um einen verschwundenen Steuercomputer, den draufgängerischen Schmugglerkönig Columbo und Finsterling Aristoteles Kristatos kann den Zuschauer nicht wirklich in den Bann ziehen.  Dafür beeindrucken die Actionsequenzen insbesondere in der Bobbahn  noch heute. Doch die “tödliche Mission” ist gerade wegen seiner fast protestantischen Bodenständigkeit ein Liebling vieler Bondianer.

 

Octopussy (1983)

 

Die Fakten: Regie: John Glen; Produktion: Albert R. Broccoli; Drehbuch: George MacDonald Fraser/Richard Maibaum/Michael G. Wilson;  Kamera: Alan Hume

Der Inhalt: Bei der Aufdeckung einer gigantischen Juwelenverschiebeaktion stößt Bond auf den undurchsichtigen Kamal Khan und dessen Herrin, die geheimnisvolle Zirkus-Inhaberin Octopussy, die in Indien in einer nur von Frauen bewohnten Festung residiert. Sie weiß allerdings nicht, dass der größenwahnsinnige Sowjetgeneral Orlow sie nur benutzt

Der bondigste Moment: Bond entflieht mit einem Kleinflugzeug spektakulär einer kubanischen Luftwaffenbasis.

Das Zitat: „Vollmachen, bitte“ (Bond im Kleinflugzeug zum Tankwart)

Die Wertung: Der 13. Streich ist ein klassisches Bond-Abenteuer aus den 1980er-Jahren der Glen-Ära, das neben der klamaukartigen Routine Roger Moores vor allem auf möglichst farbenfrohe Variationen der altbekannten Standards und handwerklich perfekten Action setzt. Dabei springt der Plot allerdings zu extrem zwischen finsteren, „realen“ Kalter-Krieg-Bedrohungsszenarien und indischen Märchenschlössern und allerlei Ostereiern.  Ein Film, der es den Realisten- und Fantasten-Fraktionen der Bondgemeinde recht machen will und damit im Nirgendwo landet.

 

Im Angesichts des Todes (1985)

 

Die Fakten: Regie: John Glen; Produktion: Albert R. Broccoli/Michael G. Wilson; Buch: Richard Maibaum, Michael G. Wilson; Kamera: Alan Hume.

Der Inhalt: Diesmal hat es Bond mit einem pferdeverrückten Großindustriellen zu tun. Max Zorin möchte Silicon Valley zerstören, um mit den von ihm produzierten Microchips den Weltmarkt komplett zu beherrschen. In letzter Minute kann Bond in einer nahegelegenen Mine eine Explosion einer Bombe verhindern, die eine Überschwemmungskatastrophe ausgelöst hätte.

Der bondigste Moment: Der Zweikampf zwischen Bond und Zorin auf der Golden Gate Bridge in San Francisco.

Das Zitat: „Nichts kann es mehr aufhalten. Die größte Sintflut der Menschheit“ (Max Zorin)

Die Wertung: Die zeitgemäße Kopie des Goldfinger-Plots punktet mit einem großartigen Bösewicht und dem wahnsinnig gut eingefangenen Finale auf der Golden Gate Bridge. Dazwischen liegt guter Bonddurchschnitt, und ein sichtlich gealteter Moore, dessen Glaubwürdigkeit als führender Womanizer der freien Welt für jeden sichtbar leidet. Wobei der Flirt mit dem grotesken Kampfschwein Grace Jones eher Mitleid als Neid beim Zuschauer hervorruft . Da auch die Doubles gefühlt mehr Auftritte hatten als der Star, war es für Moore allerhöchste Zeit, in den wohlverdienten Ruhestand zu gehen.

Der Münchner Christoph Marx ist Publizist und Lektor und lebt in Berlin. Er arbeitet als Autor und Redakteur für viele namhafte Verlage und veröffentlichte bzw. verantwortete inhaltlich zahlreiche Werke, v.a. zu historisch-politischen, gesellschaftlichen, sportlichen und kulturellen Themen.Referenzliste unter Autor und Redakteur/Lektor.

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