Karl Marx Friedrich Engels Denkmal

Karl Marx und Friedrich Engels am Marx-Engels-Forum in der historischen Mitte Berlins, Manfred Brückel, CC BY-SA 3.0

Marx und Engels gingen nicht nur eine politische Symbiose ein, sondern pflegten auch eine außergewöhnliche persönliche Freundschaft, die von Abhängigkeiten gekennzeichnet war. Das Wirken des Einen wäre ohne den anderen nicht denkbar. Beide ergänzten sich in vielerlei Weise kongenial.

Karl Marx und Friedrich Engels waren die wirkungsmächtigsten politischen Denker des 19. Jahrhunderts. Sie schufen mit dem Marxismus eine Lehre, die zunächst zum ideologischen Eckpfeiler der internationalen Arbeiterbewegung und dann im 20. Jahrhundert zunehmend von den ursprünglichen Aussagen entkoppelt und zu einem hohlen politischen Kampfbegriff instrumentalisiert wurde. Auch wenn der Marxismus nur einen Begründer im Namen führt, darf der Einfluss von Engels keineswegs unterschätzt werden. Marx und Engels gingen nicht nur eine politische Symbiose ein, sondern pflegten auch eine außergewöhnliche persönliche Freundschaft, die von Abhängigkeiten gekennzeichnet war. Das Wirken des Einen wäre ohne den anderen nicht denkbar. Beide ergänzten sich in vielerlei Weise kongenial.

Im Jahre 1842 trafen Karl Marx und Friedrich Engels in Köln erstmals zusammen. Dort arbeitete der gerade frisch promovierte Marx als Redakteur bei der neu gegründeten demokratischen Oppositionszeitung „Rheinischen Merkur“ . Auch Engels stellte sich dort sich vor. Doch der erste Kontakt blieb lose. Erst zwei Jahre später entwickelte sich aus einem Besuch Engels bei Marx in Paris, wo er sich inzwischen aufhielt, eine enge lebenslange politische Zusammenarbeit und tiefe persönliche Freundschaft. Beide stellten eine völlige Übereinstimmung in ihren gesellschaftstheoretischen Anschauungen fest; beide verfolgten das Ziel eines revolutionären Umsturz des Gesellschaftssystems und der Schaffung einer durch das Industrieproletariat zu verwirklichenden neuen Gesellschaft: des Kommunismus. Doch zu diesem gemeinsamem Ziel führten sie recht unterschiedliche Wege. Während Marx dafür den luftigen Höhen der Philosophie entstieg, war Engels bodenständig den Erfahrungen aus der praktischen Wirklichkeit der Wirtschaft gefolgt. Dies entsprach den unterschiedlichen Lebenswegen der beiden, wobei sie sich kongenial ergänzten.

An der Kreuzung von Philosophie und Nationalökonomie

Der 1818 geborene Karl Marx verbrachte in Trier seine Kindheit in einem harmonischen, relativ wohlhabendem Umfeld. Sein Vater arbeitete als Rechtsanwalt, war vom Judentum zum Protestantismus übergetreten und förderte als liberal gesonnener Mensch zunächst die intellektuellen Neigungen des Sohnes, die sich schon früh zeigten. Schon in der Schule wurden seine „gute Anlagen“ besonders in Deutsch, Geschichte und alten Sprachen gelobt. Wenn er auch in Jura eingeschrieben war, galt in seiner Studienzeit in Bonn und Berlin zwischen 1837 und 1841 den Fächern Geschichte und Philosophie sein eigentliches akademisches Interesse. Ungeordnet und sprunghaft widmete er sich den Studien, probierte sich als Dichter und ging schnell abseits des akademischen Betriebs seine eigene Wege. Ihn inspirierte insbesondere die zeitgenössische Philosophie Hegels, dessen „seltsame Felsenmelodie“ ihn faszinierte. Er schloss sich bereits 1837 dem „Doktorklub“ an, dessen Mitglieder in Hegels Dialektik die Methode zur Überwindung der politischen Zustände in Deutschland zu erkennen glaubten. Diesem Linkshegelianismus hing auch Friedrich Engels an, der diesen 1841 bei Philosophie-Vorlesungen in Berlin während seiner einjährigen Militärzeit in Berlin kennenlernte. Zu der Zeit hatte Engels – im Gegensatz zu Marx- das vermeintliche Subjekt der Revolution schon lange ins Visier nehmen können: die ausgebeuteten Fabrikarbeiter in der Hochzeit der ersten Industrialisierung. Er war ein reicher Fabrikantensohn aus dem heutigen Wuppertal, wo er 1820 zur Welt kam. Er kannte sozusagen von Kindesbeinen an aus eigener Anschauung die Leiden des Lumpenproletariats, das „gänzlich demoralisierte Volk, ohne Obdach und sicheren Erwerb, die mit Tagesanbruch (…) hervorkriechen, wenn sie nicht auf Düngerhaufen oder den Treppen der Häuser die Nachht überstanden hatten“, wie er 1838 in den Briefen aus dem Wupperthal schrieb. Engels sollte nach dem Wunsch des Vaters den elterlichen Textilbetrieb übernehmen und weilte diesbezüglich von 1842 bis 1844 in Manchester. Dort interessierte er sich aber mehr für die konkrete Not der Arbeiter als für den familiären Betrieb. Er hielt Kontakt zu den englischen Frühsozialisten (und unterstützte den Kampf der Chartisten um konkrete Verbesserung der Lebensbedingungen der Arbeiter). Mit journalistischen Spürsinn und klarer Haltung prangerte er in ersten systematischen Schriften die elenden Zustände an und suchte nach Auswegen. 1845 bzw. 1844 veröffentlichte Engels die empirische Untersuchung über „Die Lage der arbeitenden Klasse in England“ und arbeitete in einer anderen Schrift („Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie“) die führende Rolle der Industriearbeiter für die Revolution und den Aufbau der neuen Gesellschafts heraus.

Politische Symbiose
Gerade letztere in den von Marx betreuten Deutsch-französischen Jahrbüchern publizierten Schrift hatte diesen sehr beeindruckt und den Anlass für Engels Besuch im Sommer 1844 in Paris gegeben, aus dem der lebenslange Freundschaftsbund hervorging. Neben den politischen Grundüberzeugungen hatten sie nicht wenige persönliche Chrakterzüge gemeinsam. Beide teilten die Begabung zur Kritik und Analyse, dazu gesellten sich der gemeinsame Hang zu Spottlust und Sprachwitz. Nicht zufällig pflegten beide Mitte der 1840er-Jahre regen Umgang mit dem deutsch-jüdischen Dichter Heinrich Heine, der das politische Feuilleton in die deutsche Literatur trug. Von ihren Kenntnissen und in ihrer Arbeitsweise ergänzten sie sich ideal. Engels verfügte über die praktische Kenntnis der praktischen Wirtschaft, die Marx fehlte; Marx über den philosophischen Tiefsinn, um aus den Wissensbeständen eine theoretische Grundlage zu erarbeiten. Das spiegelte sich auch in der Arbeitsweise wider: Marx sah sich in erster Linie als Gelehrten und Wissenschaftler und benötigte umfangreiche Studien und langes Ringen mit sich selbst, bevor er seine Gedanken zu Papier brachte. „Er liest sehr viel; er arbeitet mit unglaublicher Intensität (…) und stürzt sich immer wieder von neuem in ein endloses Büchermeer“, klagte Arnold Ruge in einem Brief, mit dem Marx 1844 zeitweise den „Vorwärts“ aufbaute. Dagegen war Engels mehr der Rechercheur oder journalistischer Tatmensch. Engels hatte wohl ein außergewöhnlich schnelles Auffassungsgabe, übersah rasch ein Problem und formulierte im Gegensatz zu Marx leicht und anschaulich. Wo Marx vor allem vom Schreibtisch aus arbeitet und weitgehend anschauungslos theoretisierte – er sah zeitlebens nie eine Fabrik von innen – , sammelte Engels Fakten und Kenntnisse aus der Wirklichkeit und zog erst in der Folge theoretische Schlüsse. Wo Marx die akademische Welt offenstand, blieb Engels ein Autodidakt, der nicht einmal Abitur hatte. Zusammen bildeten sie ein perfektes Duo, das von 1844 an gemeinsam die Welt in die Schranken weisen wollte und die Obrigkeiten tatsächlich in Atem hielt.

Politische Kampfzeit

Alle publizistischen und politischen Projekten entstanden nun weitgehend zusammen. Die „Heilige Familie“ und „Deutsche Ideologie“ (1845-1847) sind die ersten gemeinsamen Arbeiten. In ihnen werden die Grundzüge für den später von Marx expliziert ausgeführten historisch-dialektischen Materialismus dagelegt, wonach allein die ökonomischen Produktionsverhältnissen das Bewusstsein der Menschen bestimmen und die jeweiligen politischen Herrschaftssstrukturen immer nur die Interessen der Besitzer der Produktionsmittel (Fabriken etcpp.) widerspiegeln. 1846 begannen die Bemühungen von Marx und Engels, eine revolutionäre kommunistische Partei der Arbeiterklasse aufzubauen. Sie wurden offiziell zu Staatsfeinden. 1847 verfassten Marx und Engels im Auftrag des „Bundes der Kommunisten“ ein kurzes Pamphlet über Selbstverständnis und Ziele der Kommunisten. Behauptet wurde eine gesetzmäßige Entwicklung zum Kommunismus. Das 1848 veröffentlichte „Manifest der Kommunistischen Partei“ erzielte große öffentliche Wirkung und gilt heute als eines der einflussreichsten Dokument der Zeitgeschichte sowie aufgrund seiner sprachlichen Brillanz auch als Stück Weltliteratur. In den Revolutionsjahren 1848/49 kämpften beide in Köln im „Rheinischen Merkur“ publizistisch für die Demokraten. Engels nahm auch aktiv am Aufstand in Baden und in der Pfalz teil. Der Sieg der Konservativen 1849 änderte dauerhaft das Leben der beiden. Marx wurde erneut ausgewiesen und floh nach London, wo er bis an sein Lebensende blieb – als Staatenloser. Bereits 1845 hatte ihm Preußen die Staatsangehörigkeit entzogen; 1850 zog sich auch Engels nach England zurück und trat jetzt doch in die Geschäftsführung der väterlichen Textilfirma ein, was ihn zu beträchtlichem Reichtum verhalf. Doch blieb Engels politisch seinem Freund treu, der am Schreibtisch begann, eine umfassende wissenschaftliche Analyse des herrschenden Kapitalismus zu erarbeiten mit dem Ziel seiner Abschaffung. In den 1860er-Jahren war Marx noch aktiv an der politischen Organisation der internationalen Arbeiterbewegung beteiligt. Doch bald kam es zum Streit um die ideologische Ausrichtung der „Ersten Internationale“ und Marx zog sich Mitte der 1870er-Jahren aus der aktiven politischen Arbeit zurückzog. Der „wissenschaftliche Sozialismus“ blieb das Lebensthema von Marx, das ihn bis zu seinem Tod 1883 nicht losließ. 1867 erschien der erste Band des „Kapitals“, das jenseits der politischen Propheterie inzwischen ein Klassiker der politischen Ökonomie ist und bis heute fruchtbare Diskussionsgrundlage über das Wesen des Kapitalismus bietet. Dass Marx aber diese Arbeit leisten konnte, war allein das Verdienst Engels. Er unterstützte die Familie in jeder Beziehung, aber vor allem mit einem: Geld.

Das liebe Geld und die Frauen
Probleme mit dem Geld begleiteten Marx sein ganzes Leben. Bereits der Vater klagte in der Studienzeit über die Verschwendungssucht des Sohnes. Denn richtig arm war Marx in seinem Leben eigentlich nie, aber er konnte nicht mit dem vorhandenden Geld haushalten. Er lebte regelmäßig über seine Verhältnisse. Das lag auch daran, dass er seiner Frau Jenny, die er schon im Alter von 19 Jahren heiratete und adeliger Herkunft war, einen angemessenen bürgerlichen Lebensstandard bieten wollte. In Krisen sprang immer wieder Engels großzügig als Gönner ein. Als Engels in den 1860er-Jahren viel Geld einnahm, stockte er auch die regelmäßigen Zahlungen an Marx entsprechend auf; teilweise überwies er mehr als die Hälfte des Jahreseinkommens an Marx, was diesen aber nur zu mehr Ausgaben veranlasste. In den Briefen lässt sich keine Stelle finden, wo Engels Marx diesbezüglich Vorwürfe gemacht hätte. Er tat alles, um Marx seine Forschungsarbeit zu ermöglichen. So schrieb Engels auch nach 1851 zunehmend auch Artikel im Namen von Marx, um ihn so von anderen Publikationsverpflichtungen zu entlasten. Auch bei delikaten privaten Problemen konnte sich Marx auf Engels verlassen. Als 1851 die Haushälterin Helene Demuth nach einer kurzen Affäre mit dem Hausherrn schwanger wurde, stand der bürgerliche Ruf von Marx auf dem Spiel. Kurzerhand erklärte sich Engels bereit, gegenüber Marxens Ehefrau und im Bekanntenkreis den Vater des Kindes zu geben. Erst kurz vor seinem Tod verriet Engels das Geheimnis. Angesichts des recht unsteten Lebenwandels Engels war ein solches Bekenntnis für die Umgebung damals auch nicht verdächtig. Engels stand nach 1842 zwar in einer dauerhaften Beziehung mit der irischen Arbeiterin Mary Bruns, aber er blieb unverheiratet und galt als notorischer Schürzenjäger, der keiner Frau widerstehen konnte. Auch dass er im Gegensatz zu Marx nie Geldprobleme hatte, verheimlichte er nie. Im Gegenteil: Er genoß sein Leben als reicher Fabrikantensohn durchaus in vollen Züge, schätzte u.a. gute Weine und hatte auch Spaß an adeligen Fuchsjagden.

Das Erbe

Doch politisch blieb Engels immre auf der Seite der Revolution. Als Karl Marx 1883 nach kurzer Krankheit starb, erkannte Engels es als seine Aufgabe an, die zahllosen hinterlassenden Manuskripte und Exzerpte zu sichern und die bereits angefangenen Fortsetzungsbände zum „Kapital“ in Marxschen Sinne fertigzustellen. Engels sah sich selbstlos weiter im Dienst für seinen Freund, der für ihn immer ein revolutionäres Genie war. Engels schloß seine Traueranspruche für Marx mit den pathetischen Worten: „Sein Name wird durch die Jahrhunderte fortleben und so auch sein Werk!“.

Dass dies zumindest für ersten 100 Jahren, wenn auch in einem anderen Sinn, als es Engels wohl meinte, tatsächlich so eintrat, daran hatte Engels großen Anteil. Er war maßgeblich für den Marxens Nachruhm und damit auch für die Verbreitung von ihren gemeinsamen Theorien verantwortlich. Nicht nur dass er nach mühevoller Redaktionsarbeit 1885 bzw. 1894 die Bände 2 und 3 des „Kapitals“ herausgab, er verteidigte auch in mehreren Zeitungsartikeln und Broschüren („Der Ursprung der Familie , des Privateigentums und des Staates“; „Anti-Dühring“) die gemeinsamen Postionen zum historischen Materialismus, wobei er teils Marxens Position modifizierte oder auch vereinfachte.

Dank Engels Talent zur journalistischen Klarheit waren seine Schriften Bestseller und populär in der aufstrebenden Arbeiterbewegung am Ende des 19. Jahrhunderts. Sicherlich war Engels auch erster maßgeblicher Interpret von Marxens Werke und in diesem Sinn auch Begründer des Marxismus. 1895 starb Engels an Speiseröhrenkrebs. Seine gesamte Bibliothek vererbte er der deutschen Sozialdemokratie. Den Großteil seines immensen Vermögens vermachte er den beiden Töchtern von Marx. Engels blieb ein treu sorgender Freund der Familie Marx über seinen Tod hinaus.

 

 


Christoph Marx, Karl Marx und Friedrich Engels – Theoretiker des Klassenkampfs, in: Paare, Partner, Kontrahenten – Die Macht der Gefühle, Gütersloh 2012( als PDF-Dokument)

Der Münchner Christoph Marx ist Publizist und Lektor und lebt in Berlin. Er arbeitet als Autor und Redakteur für viele namhafte Verlage und veröffentlichte bzw. verantwortete inhaltlich zahlreiche Werke, v.a. zu historisch-politischen, gesellschaftlichen, sportlichen und kulturellen Themen.Referenzliste unter Autor und Redakteur/Lektor.

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